Der Erfolg des klassischen Speed Jiggings stand für mich seit einem Erlebnis im Jahre 2012 außer Frage. Im Rahmen einer Urlaubsreise nach Mexiko charterte ich damals ein Boot bei einem lokalen Anbieter und die Tour entpuppte sich als Kombination aus mäßig erfolgreichem Schleppangeln, etwas Grundangeln mit Handleine (…) und Schnorcheln mit Schildkröten. Der „größte“ Fang damals war ein geschleppter Bonito, zusätzlich konnte ich mit der mitgebrachten ¾ Oz Reise-Baitcastrute und schweren Rubber-Jigs noch einige Barscharten fangen. Alles im Allem also aus anglerischer Perspektive nicht der Rede wert, als gemeinsamer Ausflug mit meiner Frau natürlich trotzdem schön.
Abends am Strand angekommen, traf ich allerdings auf zwei Angler aus den USA, welche gerade einen selbstgefangenen Thunfisch verspeisten und mir Fotos der weiteren Amberjacks und Thunfischen zeigten – insgesamt soweit ich mich erinnere um die 15 Stück und das wohl gemerkt am gleichen Tag im gleichen Gebiet. Nur das gesamte Tackle hatten sie selbst mitgebracht und dem lokalen Guide bzw. Bootsführer lediglich die Stellen auf dem Echolot markiert, die er für die Driften ansteuern sollte. Die Effektivität dieser Technik war entsprechend beeindruckend und nicht ohne Grund bietet unser damaliger Guide Ivan mittlerweile auch Jigging Touren an, wie ich durch Zufall zwei Jahre später im YouTube-Kanal von „Fischersmaxe“ sehen konnte.
Als ich drei Jahre später entschlossen hatte zu meinem Geburtstag eine Jigging Tour mit Andrees Expeditions nach Mitsio im Norden Madagascars zu buchen, fingen natürlich die Vorbereitungen mit Tackle-Zusammenstellung an. Vom reinen Zuschauen auf den Speed Jigging Tutorials bei YouTube bekam ich jedoch schon Muskelkater und Phantomschmerzen, also suchte ich auch nach weniger Kräfte zehrenden Alternativen. In Erinnerung an die vielen Slow Jigging Neuheiten der Osaka Fishing Show und insbesondere dem Katalog von XESTA (als damals wohl spezialisierteste Marke in diesem Bereich) begann also auch hier die Recherche.
Damals entschloss ich mich eine Xesta Slow Emotion B604 mit Tailwalk ELAN Wide Power und Xesta Slow Emotion B78MH mit einer Poseidon Mini 200 mitzunehmen, passend dazu diverse Jigs und Co. Von den lokalen Guides von Tropical Fishing kannte damals niemand diese Technik, der Erfolg insbesondere auf langsamere Räuber wie Grouper, Bloody Snapper und sonstige Riffbewohner wie Emperor Jacks aber auch kleinere GT bei meinen Tests war jedoch unübersehbar.
Auch in den Phasen, wo klassisch geführte Jigs keinen Erfolg mehr brachten, konnte ich mit dem Slow Jigging Bisse provozieren und Fische landen. Nicht ohne Grund sind mittlerweile auch bei Tropical Fishing die Slow Jigging Ruten ein fester Bestandteil im Leihgerät und wurde auch von Alain Soulet ausgiebig getestet und erstmals auch gezielt z.B. Ruby Snapper gefangen.
Seitdem hat sich viel getan und viele weitere Hersteller in Japan und anderswo haben sich diesem Hype Thema angenommen und weiter optimiert oder an neue Fischarten angepasst. So konnte ich für die erneute Reise in den Norden von Madagascar weiteres Tackle testen, und zwar:
Slow Jigging Tackle
- Tailwalk Salty Shape Dash SPJ 631 & Tailwalk ELAN Wide Power II 71BL
- Maxel RiskyPlayer 558 & Maxel Rage R60HL (Prototyp)
- Maxel RiskyPlayer 605 & Maxel Hybrid HY20CL
- GOSEN 8-Braid in PE 2.5-4.0
Die Besonderheit der Slow Jigs selbst ist die Gewichtsverteilung, da diese in der Regel „Center Balanced“ (also mittig ausbalanciert) sind. Dadurch sinken diese waagerecht zu Boden und die Bisse erfolgen beidseitig. Aus diesem Grund sind die Köder auch an beiden Enden mit Haken bestückt, klassischerweise mit je zwei Doppelhaken. Diese sind deutlich dünner, kleiner und vor allem auch schärfer als beim Speed Jigging, so dass kein brachialer Anschlag notwendig ist. Meist haken sich die Fische bereits beim Biss selbst und das Gewicht verteilt sich auf mehrere Haken. Ich verwende die sehr stabilen und hochwertigen VanFook JL-45 und JST-44 in Hakengrößen 2/0 und 3/0. Die Länge der Assist Line bestimmt sich durch den Köder: Die Haken sollten etwa nach dem ersten Drittel und maximal in der Mitte des Jigs hervorstehen und dürfen sich nicht berühren, damit sie sich nicht verheddern.
Bevor es zu sehr in technische Details geht, werde ich aber das grundsätzliche Thema Slow Jigging aufgreifen und erklären. Meine Erklärungen basieren grundsätzlich auf dem großen Erfahrungsschatz von „Totos“ Ogasawara von Anglers-Secrets, welcher die wohl größte englischsprachige Wissensdatenbank zu diesem Thema pflegt und mit den Urvätern des Slow Jiggings in Japan wie Norihiro Sato eng zusammenarbeitet.
Ich sehe das Slow Jigging nicht als Ersatz für das Speed Jigging, sondern als Ergänzung. Zum Einen kann man die Bandbreite der Zielfische ausweiten, zum Anderen aber auch während der inaktiveren Fressphasen der Räuber noch Bisse provozieren und nicht zuletzt auch eigene Ermüdungsphasen überbrücken oder körperliche Defizite (z.B. für ältere oder gehandicapte Angler) ausgleichen. Slow Jigging ist – zumindest bis zum Drill – deutlich weniger anstrengend als Speed Jigging und bringt laut meiner Erfahrung auch deutlich mehr Bisse, aber im Falle von sehr aktiven Räubern wie Dogtooth Tuna und GT nicht die Größeren. Zumindest bei meinen bisherigen Touren waren die GT beim Slow Jigging im Durchschnitt kleiner als beim Speed Jigging, dafür die Vielfalt und Anzahl an gefangenen Fischen deutlich größer.
Trotz vieler individueller Führungsvariationen lassen sich grundsätzlich drei primäre Techniken des Slow-Jiggings beschreiben:
1. Slow Pitch Jerking
Beim klassischen Slow Pitch Jerking kann man sich die Rute und Arm als Uhrzeiger vorstellen. Diese steht in der Ausgangsposition bei 3 Uhr und bewegt sich in der Regel 1-2 Stunden nach oben und unten, maximaler Aktionsradius sind 180° von 12 Uhr bis 6 Uhr.
Diese Rutenbewegung erfolgt mit jedem „Pitch“ durchschnittlich einmal pro Sekunde. Beim Anheben der Rute wird gleichzeitig eine halbe oder volle Kurbelumdrehung mit der Rolle vollzogen, die einen Schnureinzug von über 90 cm oder in tieferen Gefilden sogar über 100 cm haben sollte (sprich: High Gear, also eine hohe Übersetzung).
Sobald die Kurbelumdrehung und Rutenbewegung abgeschlossen ist, erschlafft für einen kurzen Moment die Schnur: Genau in diesem Moment gleitet der Slow Jig quasi schwerelos und waagerecht im Wasser. Es folgt die Rutenbewegung nach unten und der freie Fall des Slow Jigs, der nun wie ein Blatt nach unten gleitet.
Am Ende der Absinkphase, wenn die Rute bei ca. 4-5 Uhr steht, strafft sich die Schnur durch das Gewicht des Jigs und die Rutenspitze beginnt sich zu Aufzuladen. In diesem Moment startet die gleitende Bewegung des nächsten Pitches und das Ganze beginnt von vorne – sofern nicht ohnehin schon ein Biss erfolgt und der Drill beginnt!
2. Hi-Pitch Jerking
Das Hi-Pitching ist nicht schneller als das Slow-Pitching, sondern „energischer“. Oft sind auch die darauf spezialisierten Ruten etwas straffer und mit mehr Aufladung verbunden, damit am Ende des Pitchs der Slow Jig in eine längere Phase der „Schwerelosigkeit“ übergeht und freier spielen kann. Ziel ist es, dass in dieser Phase noch mehr Bisse generiert werden.
Wenn man nur mit einer Rute fischt, kann man dieses Verhalten aber auch durch eine kraftvollere Bewegung aus dem Handgelenk provozieren. Die Absinkphase selbst unterscheidet sich nicht sonderlich von der erstgenannten Variante.
3. Long-Fall Jerking
Während beim Hi-Pitching die schwerelose Phase am Höhepunkt des Pitches verlängert werden soll, konzentriert sich das Long-Fall Jerking auf eine Verlängerung des freien Falls in der Endphase. Dazu wird die Rute während des Pitchs besonders hoch (also bis 11 oder 12 Uhr) gezogen und während des „langen Fallens“ auch besonders tief abgesenkt (bis 5 oder 6 Uhr), so dass ein extrem großer Aktionsradius entsteht.
In den ersten Jahren der wachsenden Popularität des Slow Jiggings wurden bei verschiedenen Herstellern spezielle Ruten für das Long Fall Jerking ins Programm aufgenommen, teilweise mit Längen bis zu 2,40 m. Dadurch konnte der Slow Jig natürlich auch große Strecken im „freien Fall“ zurücklegen. Doch spätestens beim Drill (vor allem bei größeren Gegnern) war die Rutenlänge unpraktisch. Persönlich würde ich daher auch keine extra lange Slow Jigging Rute mitnehmen, sondern für diesen Führungsstil einfach die Arme etwas weiter ausstrecken.
Der aktuelle Trend geht, da zunehmend auch größere Fische wie Amberjacks und GT der 40 Kg Klasse oder sogar Kingfish und Grouper jenseits der 70 kg beim Slow Jigging gefangen werden, momentan eher zu kürzeren und kraftvolleren Ruten mit mehr Drag als die üblichen 1-3 Kg. Das von mir getestete Maxel Modell RiskyPlayer 558 ist z.B. für PE 4.0 bis 14 Kg Drag ausgelegt.
Grundsätzlich werden dünnere Hauptschnüre der PE Klasse 1.5 bis 2.0 gefischt, da diese weniger Wasserwiderstand haben und es ermöglichen, dass der Slow Jig möglichst leicht ist und trotzdem auch bei höheren Wassertiefen möglichst senkrecht unter dem Boot bleibt. Für alle oben genannten Führungsstile ist es unabdingbar, dass der direkte Kontakt zum Köder besteht. Für ein optimales Laufverhalten wird der Slow Jig zudem an dünnem Vorfach montiert, optimal ist z.B. 40-50 lbs Fluorocarbon.
In Madagascar rund um Mitsio Island wird jedoch primär in flacheren Gebieten von 40-60 m Wassertiefe gefischt, so dass in Kombination mit 150 bis 180 g Jigs problemlos auch PE 2.5 eingesetzt werden kann. Aufgrund der ohnehin hohen Bissfrequenz empfehle ich auch zudem stärkeres Vorfachmaterial wie ein abriebsfestes 80 lbs Fluorocarbon Vorfach, da größere Grouper problemlos auch 50 lbs Vorfach durchraspeln. Sollten wider Erwarten die Bisse ausbleiben, kann man immer noch auf dünneres Material wechseln, andersherum wird es schwierig: Denn während dem Drill ist der Wechsel auf dickeres Vorfach leider nicht möglich…
Passend zu diesem Bericht habe ich mit Andreas Knausenberger auch ein Video gedreht, viel Spaß damit!